Martina Fischer
Sennerin
Vier Monate im Jahr verbringt Martina Fischer alleine auf ihrer Alm in den Chiemgauer Alpen. Sie lebt zusammen mit ihrem Vieh, der Natur und den Erzeugnissen, die sie selber produziert. Für meinen Podcast viel schoenes dabei habe ich Martina interviewt und fotografiert. Wir sprechen über die Befreiung von sozialen Zwängen, die Ehrlichkeit von Tieren und darüber, was wir hier oben lernen können, um auch unten im Tal ein besseres Leben zu führen.
Es ist später Herbst, der erste Schnee schimmert von den Bergspitzen ins Tal. Entlang der zahlreichen Serpentinen schlängen wir uns langsam den Berg hinauf.
Nachdem wir eine Schranke passiert und mehrere Durchfahrt-Verboten-Schilder hinter uns gelassen haben, verlassen wir den Wald und sehen das erste Mal die Weite der Chiemgauer Alpen. Zumindest das, was der Himmel an diesem Tag preisgeben möchte.
„Wer stramm geht, schafft die Entfernung in vierzig Minuten“, versichert mir Martina gutmütig.
Einen Weg gibt es nicht. Wir stapfen entlang breiter Wiesen, die im Winter als Skipisten dienen. Wer nicht aufpasst, kann hier schnell bis zum Knie im Matsch versinken.
Weiter oben verschwinden wir kurzzeitig auf einem Trampelpfad durch ein Waldstück, ehe wir hinter einem Hügel die untere Alm vor uns sehen. Der Schornstein qualmt und der herrliche Duft des brennenden Holzofens strömt uns aus der Ferne entgegen.
In den Podcast reinhören:
Was die Natur uns lehren kann, ist zuzuhören
Hier verweilen wir nur kurz, wärmen uns ein wenig auf und bekommen etwas Wegzehrung vom Winterpächter der Alm. Mit Wienerle und etwas Brezn im Bauch wandern wir der oberen Hütte entgegen. Nach wenigen Metern ruft mich Martina zur Seite. „Schau hier, das ist unser Wacholderwesen.“
Für Martina gibt es hier oben viele Wesen. Sie meint damit Dinge und Gefühle, die sich rund um gewisse Pflanzen oder Orte nur sinnlich erleben lassen. Zum Beispiel die gute Luft und das befreite Gefühl rund um den Wacholderstrauch, der, so wirkt es, tatsächlich von einem steinernen Wesen bewacht wird. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich Augen, Nase und Mund.
“Bei sich zu sein, bedeutet auch mit sich allein zu sein”
Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir endlich die Hütte. Die Atmosphäre ist, wie so vieles hier oben, magisch. Das lila-rote Licht des Sonnenuntergangs dringt durch die dicken Wolken, die wie Watte zwischen den Bergen schweben. Das Feuer tanzt warm im Ofen der Hütte und unser mitgebrachter Wacholder qualmt auf dem Ofen und reinigt den Raum. Erst ein warmer Tee, dann ein kühles Helles. Die Brotzeit mit dem letzten selbst erzeugten Käse des Jahres, etwas Brot sowie einem frischen Schinken erhellen unsere Gemüter. Kein Essen schmeckt besser, als das nach einer großen Kraftanstrengung.